Rollenspiele: kein Platz für Moralisierung

Immer wieder sind Eltern erschrocken, was Kinder so alles spielen: Puppen verletzen sich dauernd, fallen vom Balkon des Puppenhauses, schlagen und beißen andere (Puppen, Kinder oder Erwachsene) oder sterben sogar. Eltern machen sich dann Sorgen: Woher hat mein Kind diese Spielideen? Ist mit meinem Kind alles in Ordnung?
Rollenspiel = Verarbeitung
Kinder bekommen im Laufe des Tages allerhand mit:
- Eine Erzählung über eine Verletzung, die ein Kind einer Bekannten erlitten hat
- Es beobachtet einen Sturz auf einem Spielplatz
- Es sieht Abbildungen in Bilderbüchern
- Es erlebt verschiedene Arten von Gewalt in Kindergruppen
- usw.
Kinder müssen alles zum Ausdruck bringen, vor allem Dinge, die sie nicht gut einordnen können oder über die sie nicht gerne sprechen oder denken nicht darüber sprechen zu dürfen. Kinder haben vielleicht den Drang einem Geschwisterkind weh zu tun (und leben es über eine Puppe aus), die Gründe sind vielfältig. Auf jeden Fall muss das Kind die Möglichkeit haben Erlebtes (und sei es nur die gehörte Erzählung über ein Erlebnis eines anderen Kindes) zu verarbeiten.
In Rollenspielen gelten andere Regeln
Kinder wissen, dass sie in diesem Moment spielen. Sie wissen auch, dass den Puppen nicht wirklich etwas geschieht. Die bringen im Rollenspiel jedoch das zum Ausdruck, was sie bewegt und lernen über diesen Weg damit umzugehen. Kindern darf dieser Ausdrucksraum nicht genommen werden. Das kindliche Spiel zu unterbinden, indem auf die Moral gepocht wird (z.B. „Du darfst nicht schlagen“), nimmt dem Kind die Chance seine Ängste, Wut, usw. zu kanalisieren. Ist ein Kind wütend und darf die Puppe nicht schlagen, so wird sich die Wut einen anderen Weg bahnen.
Gewünschtes Verhalten erlernen
Rollenspiele, die man gemeinsam mit dem Kind spielt, können auch ein Weg sein, gewünschtes Verhalten zu verstärken. Die Puppe verletzt sich? Sie wird liebevoll getröstet und verarztet. Die Puppe ist müde und will nicht schlafen? Man denkt sich gemeinsam ein Einschlafritual aus. Kinder lernen im Spiel und das Rollenspiel bietet dafür unzählige Möglichkeiten. Das Kind kann gefahrlos unterschiedliche Aktionen und Reaktionen testen. Keiner nimmt dabei Schaden, das Kind sammelt jedoch neue Erfahrungen, die es im Alltag umsetzen kann.
Foto: Maresa Gallauner