Philosophieren mit Kindern – Kinder als Philosophen?

Erziehungsfragen - Blog

Philosophieren mit Kindern – Kinder als Philosophen?

Von julia am 16/10/2018 - 07:57
Durchblick

In Gesprächen mit Kindern fallen immer wieder Sätze, die uns aufhorchen lassen. Sie verwundern uns, weil sie so „reif“ klingen, sie beeindrucken uns, weil sie zeigen, wie das Kind über die Welt nachdenkt oder sie bringen uns ein wenig in Bedrängnis, weil wir selbst nicht so recht wissen, was wir nun darauf sagen sollen.

Über die Welt nachdenken

Jedenfalls sind es die Momente, die einen guten Einstieg bieten, um mit dem Kind in ein tiefes Gespräch zu kommen. Kinder haben so die Möglichkeit mehr über die Eltern und deren Weltsicht zu erfahren, sie werden aber auch angeregt über die Welt und ihre Eindrücke und Erfahrungen nachzudenken.

Über Wünsche, Ängste und Sorgen

Solche Gespräche offenbaren oft auch das innerste des Kindes, seine Wünsche, Ängste und Sorgen. So wie ein 3-jähriges Mädchen, das beim Anblick des kleinen (1,5-jährigen) Bruders aus tiefer Traurigkeit sagt:

„Ich war nie so lange Klein. Ich bin einfach viel zu rasch groß geworden.“

In solch einem Satz steckt sehr viel drin: Das Erleben des Kindes nun „groß“ zu sein. Ihr Empfinden, dass sie eigentlich das „Kleinsein“ verpasst habe (und damit die Erfahrung, dass man das zwar alles erlebt hat, sich aber nicht erinnern kann), die Überlegung, dass der Bruder ja länger klein wäre (obwohl das ja rein von der Zeit gemessen nicht zutrifft), es ist vielleicht ihre Art nach mehr Zuwendung oder Fürsorge zu fragen oder einfach ein erster Schritt in der Entwicklung des Zeitgefühls…. Jedenfalls ist es ein Satz, den Eltern nicht einfach stehen lassen sollten. Er kann Ausgangspunkt sein über das Großwerden zu sprechen, über reale und erlebte Zeit, über Gefühle wie Eifersucht, usw.

Die Beziehung und Bindung kann so auch gestärkt werden. Kinder haben das Gefühl verstanden und wahrgenommen zu werden.

Entdecken, Fragen stellen, nachdenken

Es muss aber nicht immer ein existenzielles Problem sein. Oft sind es auch kleine Entdeckungen, die zu Fragen führen: z.B. beim Finden eines leeren Schneckenhauses – wo ist jetzt die Schnecke? Wie kommt sie da raus? Warum macht sie das? Hierbei geht es nicht so sehr um Naturkunde, sondern darum, dass das Kind versucht verschiedene Möglichkeiten durchzuspielen. Oft reicht ihnen dabei ein Erwachsener als Zuhörer und sie erwarten sich keine Antworten.

Man erreicht jedoch damit, dass Kinder mit offenen Augen durch die Welt gehen und Dinge nicht einfach hinnehmen, sondern in Frage stellen.

Der Entwicklungsstand zeigt sich

Als Erwachsener erfährt man viel über den Entwicklungsstand der kognitiven Entwicklung: welche Erklärungsmuster werden gewählt? Ist das Kind noch sehr im Egozentrismus und magischen Denken zu Hause oder beginnt langsam das realistische Denken? Z.B. wenn ein Kind zum ersten Mal bewusst wahrnimmt, dass sich im Herbst die Blätter färben erklärt ein 2-3-jähriges Kind, dass das der Baum macht, damit es selbst etwas schönes Sammeln kann. Jedes Naturphänomen findet statt, damit das Kind etwas davon hat (die Sonne scheint, damit es Licht zum Spielen hat, usw.). Ein 5-jähriges Kind wird vielleicht schon fragen „wie der Baum das macht“, ein 6-7-jähriges Kind ist oft wirklich schon an den Vorgängen und einfachen Erklärungen interessiert.

Wenn schwierige Themen aufkommen?

Gerade wenn sehr schwierige Themen aufgeworfen werden (z.B. Tod) sollte man darauf achten, dass man ehrlich antwortet, aber nicht mehr erzählt, als das Kind wirklich erfragt. So kann man sich davor schützen, dass man das Kind mit Antworten überfordert und man hält Aspekte offen, die das Kind wiederum selbst erfragen und hinterfragen kann. Das gilt im Grunde bei jedem Thema, aber sensible Themen bedürfen hierbei besonderer Beachtung.

Ein sehr lesenswertes Buch zum Thema:

Ebers, Thomas & Melchers, Markus (2001): Wie kommen die Bäume in den Wald? Praktisches Philosophieren mit Kindern. Herder Verlag.

 

Foto: Maresa Gallauner