Nachgedacht: Kann Liebe abgerechnet und verteilt werden?

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Nachgedacht: Kann Liebe abgerechnet und verteilt werden?

Von julia am 11/04/2017 - 21:17
Gänseblümchen

Viele Gespräche mit Eltern kommen bei dem Punkt an, an dem ein Elternteil Zweifel über die „Verteilung“ der Liebe ausspricht. „Unser Kind liebt Papa mehr als mich“. „Unser Kind ist am liebsten nur bei den Großeltern“. Es folgen dann oft Anschuldigungen und Vorwürfe: „Es ist ja nur so gerne bei den Großeltern, weil es dort immer ein Eis nach dem Essen bekommt.“, die vor allem zum Ausdruck bringen, dass man mit seinen Lebensvorstellungen keine Chance beim Kind hätte.

Aber erstellen Kinder wirklich eine „Abrechnung“ und verteilen daraufhin ihre Liebe?

Vom ersten Tag an baut ein Baby zu seinen Eltern eine Beziehung auf und geht Bindungen ein. Dabei unterscheiden sich die Beziehungen und die Bindung zwischen Mutter und Kind und Vater und Kind. Das ist ganz normal, einfach, weil Vater und Mutter zwei Individuen sind mit unterschiedlicher Persönlichkeit, Lebensgeschichte und unterschiedlichen Lebensvorstellungen. Babys und Kinder lieben ihre Eltern bedingungslos. Schon alleine deshalb, weil ihr Überleben davon abhängt eine enge Bindung zu ihnen einzugehen. Kinder sind ihren Eltern gegenüber loyal (dies zeigen auch Studien zu Missbrauchsfällen, wo davon auszugehen wäre, dass Kinder nicht mehr loyal sein können) und geraten schnell in einen Konflikt, wenn Eltern z.B. versuchen sich gegenseitig ins Aus zu spielen (z.B. nach einer Trennung).

In Beziehungen leben

Familienleben bedeutet Beziehungsleben. Dabei bildet sich ein Beziehungsnetz, das laufend Veränderung erfährt. Kindern ist die sichere Bindung und liebevolle Beziehung zu beiden Elternteilen sehr wichtig. Auch wenn es oftmals eine Sorge der Eltern ist, Kinder stellen dabei keine Abrechnungen an. Sie beginnen nicht zu zählen wie oft Mama ein Eis kauft und wie oft Papa ein Eis kauft. Sie vergleichen nicht, ob Mama mehr Zeit mit ihnen am Spielplatz verbringt oder Papa. Sie können es auch einfach annehmen, dass es so ist, dass es bei Oma und Opa immer ein Eis gibt, bei den Eltern nur manchmal. Das schmälert nicht die Liebe zu den Eltern. Im Gegenteil kann es sie verunsichern, wenn plötzlich ein Wettstreit entbrennt, wer dem Kind mehr durchgehen lässt oder mehr für das Kind kauft, denn Eltern sind dann nicht mehr authentisch. Sie stehen nicht mehr zu ihrem Wort und das schürt bei Kindern Ängste. Kinder wollen klare Botschaften und suchen nicht die permanente Zustimmung, nur um des Friedens willen.

Liebe ist ein tiefes Empfinden und kein materielles Objekt, das aufgeteilt werden kann wie eine Geburtstagstorte.

 

Foto: Maresa Gallauner