„Mach' du das!“ - wenn Kinder nicht selbstständig sein wollen

Erziehungsfragen - Blog

„Mach' du das!“ - wenn Kinder nicht selbstständig sein wollen

Von julia am 12/06/2018 - 08:07
im Wind

„Nein – das mache ich!“

Sehr viel wird darüber geschrieben und gesprochen, dass Kinder alles alleine machen möchten – egal ob sie es schon können oder nicht. In der Autonomiephase wollen die Kinder sich erproben, zeigen wie groß sie schon sind und viele Eltern stehen täglich vor der Verzweiflung, weil sie nicht aus dem Haus kommen, weil das Kind alles selbst machen möchte.

„Nein, mach' du das!“

Aber dann gibt es auch das andere Phänomen: Kinder, die Dinge eigentlich bereits selbst können, möchten es nicht mehr (oder nicht immer) selber machen. Plötzlich hören Eltern ganz oft „Nein, mach' du das“ - und stehen wieder verwundert da und haben Sorge nicht aus dem Haus zu kommen, weil sie auch wieder das Kind anziehen müssen und nicht nur sich.

Bin ich groß oder nicht?

Oft folgt diese Phase der Autonomiephase oder überlappt sich ein wenig mit dieser. Das Kind hat viele Dinge geübt, kann nun: mit Besteck essen, ein Brot schmieren, sich an- und ausziehen, usw. und scheint einfach keine Lust mehr darauf zu haben. Die Kinder merken auch, dass ihnen eine gewisse Art der Zuwendung nun fehlt – auch wenn es schön ist die Dinge selbst zu können.

Auch ältere Kinder wollen gepflegt werden

Das Baby- und Kleinkindalter ist sehr durch die Pflege geprägt: wickeln, waschen/baden, anziehen, füttern, usw. Kinder genießen diese gemeinsame Zeit, es geht dabei nicht nur darum es eben zu machen, weil sie es nicht selbst können. Mit der Zeit fallen Pflegehandlungen nach und nach weg: wickeln, an- und ausziehen, füttern sind einfach nicht mehr notwendig, weil das Kind nun zur Toilette geht, selbstständig essen kann, sich an- und ausziehen kann.

Dieses Gefühl umsorgt zu werden, diese Nähe und Verbundenheit, die in der Pflege erfahren wurde, vermissen Kinder manches Mal. Gerade wenn Kinder müde werden oder sich aus anderen Gründen unwohl fühlen, wollen sie gerne wieder versorgt und umsorgt werden. Sie genießen die Nähe, die entsteht, wenn sie z.B. angezogen oder gefüttert werden. Kinder „tanken“ in der Zeit auf und schöpfen so neue Energie für Entdeckungen und Erkundungen.

Selbstständigkeit erzwingen?

Gerade bei diesem Thema sind Eltern oft verunsichert. Soll ich nun meinen 5-jährigen anziehen oder darauf bestehen, dass er es macht? Füttere ich nun mein 3-jähriges Kind oder fällt es dann in der Entwicklung zurück?

Kinder verlernen nicht zu essen oder sich anzukleiden, nur weil sie es nicht zu jedem Moment selber machen. Sie haben dadurch keinen Nachteil in der Entwicklung. Überall dort, wo es um Zwang geht, werden Widerstände aufgebaut. Die sind weder förderlich für die Bewältigung des Alltags, noch für die Beziehung zum Kind.

In der Zeit, in der man diskutiert, ob das Kind nun selbst den Pullover anzieht oder man es für das Kind macht, hätte man den Pullover schon 10 Mal angezogen. Beginnt man ein Kind zu füttern, übernimmt es oft nach 3 oder 4 Löffel das Besteck und isst selbst weiter. Kinder suchen die Rückversicherung, dass man immer noch für sie sorgen möchte. Sie testen wie verlässlich und tragfähig die Beziehung ist.

Mit Kindern Abmachungen treffen

Kinder können sehr wohl damit umgehen, dass nicht alles zu jeder Zeit möglich ist. Ist es z.B. notwendig, dass morgens das Haus schnell verlassen wird, dann kann man mit dem Kind ausmachen, dass es morgens die Dinge, die es kann, selbst macht, zu anderen Zeiten am Tag können sie gerne fragen, ob man es anziehen würde. Wesentlich ist, dass man es dann zu den anderen Zeiten auch ohne murren macht. Kinder müssen auf Abmachungen vertrauen können, sonst können sie ihr Bedürfnis nicht aufschieben.

 

Foto: Maresa Gallauner