Ein klares Nein! - besser als nicht ernst gemeinte Zustimmung

Erziehungsfragen - Blog

Ein klares Nein! - besser als nicht ernst gemeinte Zustimmung

Von julia am 07/03/2017 - 07:31
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Nicht immer ist alles im Zusammenleben mit Menschen eindeutig. Auch im Erziehungsalltag kommt es immer wieder zu Situationen, in denen nicht von vornherein klar ist, wie man eigentlich zu dem Thema steht. Man schwankt ein wenig in seiner Meinung – Kinder haben ein sehr feines Gespür dafür. Es handelt sich dann um Themen, bei denen im besten Fall in Absprache mit dem Kind eine Entscheidung getroffen wird.

Es gibt aber auch Situationen, in denen Eltern eigentlich eine sehr klare Meinung vertreten und dennoch (z.B. weil sie Angst haben, dass das Kind sonst wütend wird) Ja sagen, obwohl sie Nein meinen. Kinder haben auch hierfür sehr feine Antennen.

Dieses zweigesichtige Verhalten irritiert Kinder. Es geht dann gar nicht darum, dass Kinder es ausnutzen könnten und versuchen oft solch ein falsches Ja zu bekommen. Kinder wollen ihre Eltern kennen lernen, sie wollen darauf vertrauen können, dass diese zu ihrem Wort stehen. Kinder verunsichert es, wenn sie spüren, dass Mama oder Papa nun lieber Nein gesagt hätten, es aber nicht machen. Sie stellen sich fragen, warum das Nein nicht ausgesprochen wird. Und sie merken auch, dass diese Dinge dann nicht gerne für sie gemacht werden. Sie bekommen dann vielleicht den Schokoladenriegel, aber nicht, weil sich die Eltern mit dem Kind über den bevorstehenden Genuss freuen können, sondern weil sie sich verpflichtet fühlen – aus welchem Grund auch immer.

Häufige Gründe für ein falsches Ja

Meist betrifft ein falsches Ja gar nicht so sehr das Kind. Das Erleben und Empfinden der Eltern steht dabei im Fokus:

  • Eltern haben Angst, dass ihr Kind sie nicht mehr oder weniger lieben würde, wenn sie ihm nicht alle Wünsche erfüllten
  • Es geht vielleicht um die Idee, ob das Kind Mama oder Papa mehr lieben würde
  • Eltern haben Angst bloßgestellt zu werden, wenn das Kind in der Öffentlichkeit einen Wutanfall bekommt
  • Eltern haben generell Angst vor den Gefühlsausdrücken des Kindes
  • Eltern wollen keine Zeit verlieren und geben nach, damit das Thema rasch vom Tisch ist (auch dahinter verbergen sich Ängste und Sorgen der Eltern)
  • Eltern vermeiden generell Konfrontationen

Die Liste kann lange fortgesetzt werden, es ist aber deutlich, dass es hier um Ängste, Sorgen, Vorstellungen und Phantasien der Eltern geht, nicht um die Befindlichkeit des Kindes.

Kinder suchen Klarheit – und manchmal auch Konfrontation

Kinder wollen sich, ihre Mitmenschen und ihre Umwelt kennenlernen. Dafür ist es notwendig, dass sie auf Menschen treffen, die ihnen authentisch begegnen. Jeder Mensch (auch Eltern) hat seine Vorgeschichte, seine Ideale, Meinungen und ganz wichtig – seine ganz persönlichen Grenzen. Um diese Grenzen geht es den Kindern. Sie brauchen keine hunderten künstlichen Regeln, die oft unlogisch oder selbst von den Erwachsenen schwer einzuhalten sind. Kinder stellen die Frage: Wer bin ich? Und die können sie nur in Konfrontation mit anderen Menschen und der Umwelt beantworten – und das über viele Jahre hinweg. Deshalb suchen Kinder die Konfrontation, sie wollen sich an den Idealen, Vorstellungen und Werten der Eltern reiben – und das nicht erst im Jugendalter.

Fehlende Impulskontrolle

Je jünger Kinder sind, desto erschrockener sind sie oftmals über ihr eigenes Empfinden und Verhalten. Sie können ihre Gefühle noch nicht so gut einordnen und vor allem fehlt ihnen noch die Fähigkeit zu Impulskontrolle (oder sie entwickelt sich erst). Wird ein Kleinkind von einem Wutanfall überrollt, hat es oft tatsächlich Angst, dass seine Eltern es nun nicht mehr lieben würden. Sie haben Angst vor ihrer eigenen Wut und sie haben auch noch kein Gefühl dafür, dass dieser Zustand wieder vergehen kann und dann die Wogen geglättet sind. Dafür benötigen sie ein Gegenüber, das klar in seinen Botschaften ist und mit dem Kind die Gefühle aushält. Werden die Eltern nun ihrerseits wütend fühlen sich die Kinder in ihrer Sorge die Liebe der Eltern zu verlieren bestätigt und bekommen die Antwort „ich bin nicht liebenswert“. Ein Teufelskreis beginnt.

Gefühle mit dem Kind aushalten

Deshalb ist es für Kinder besser, wenn sie ein ernstgemeintes klares Nein hören, wenn Eltern einen Wunsch wirklich nicht erfüllen wollen. Sie erfahren dabei etwas über die Vorstellungen der Eltern und über deren persönliche Grenzen. Ja, Kinder werden vielleicht darüber wütend sein, sie werden vielleicht schreien und weinen und nicht ganz „artig“ das Nein direkt akzeptieren. Aber es ist wichtig für Kinder, dass sie erfahren, dass Erwachsene diese Gefühle aushalten, denn das ist ihr Vorbild, das ihnen zeigt, dass sie kein Opfer dieser Gefühle sind, dass man mit Gefühlen umgehen kann. Und durch ein klares Nein spüren sie, dass sie von den Erwachsenen ernst genommen werden, dass diese eine Position haben und dafür einstehen. Sie fühlen sich sicher, haben Orientierung und das gibt ihnen auch die Sicherheit, dass Eltern auch in anderen Situationen zu ihrem Wort stehen werden.

 

Foto: Maresa Gallauner