Babybeobachtung – lernen Sie Ihr Kind kennen

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Babybeobachtung – lernen Sie Ihr Kind kennen

Von julia am 16/01/2018 - 08:51
Seifenblasen

Gerade beim ersten Kind ist alles neu: was will mir mein Kind sagen? Warum weint es? Was benötigt es gerade von mir? Aber auch bei weiteren Kindern stellen sich diese Fragen aufs Neue – denn jedes Kind ist eine Persönlichkeit und Eltern und Kind müssen sich erst gegenseitig kennen lernen.

Kennenlernen ist ein Prozess

Auch wenn das Kennenlernen eines anderen Menschen eigentlich nie aufhört, so ist die erste Phase des Kennenlernens doch sehr entscheidend. Es schafft nämlich die Basis für die weitere Beziehung und Bindung zwischen Kind und Eltern. Ist dieses erste Kennenlernen geschafft, so heißt es „am Ball bleiben“ - Babys und Kinder entwickeln sich gerade in den ersten 3 Jahren rasend schnell und verschiedene Facetten der Persönlichkeit entfalten sich erst mit der Zeit.

Kennenlernen braucht Zeit

Oft ist der Alltag hektisch und gerade wenn mehr als ein Kind in der Familie leben, müssen Zeitfenster manches Mal regelrecht geschaffen werden. Je besser sich Eltern und Kind jedoch kennen, desto reibungsloser verläuft oft der Alltag. Man kann vielleicht ein wenig abschätzen, in welchen Situationen ein Kind besondere Begleitung bedarf, was es erfreuen oder ängstigen wird, usw.

Zeit, die ins Kennenlernen investiert wird ist somit nie verlorene Zeit.

Kennenlernen braucht Raum

Kinder – und sogar schon Babys – zeigen sich (ihren Charakter, ihre Persönlichkeit, usw.) vor allem im selbstbestimmten freien Spiel. Geben Sie Ihren Kindern diesen Raum und gestalten Sie ihn für das Kind. Stellen Sie Spielmaterialien bereit, die der Entwicklung des Kindes entsprechen. Schaffen Sie einen sicheren Raum, in dem sich das Kind altersgemäß frei bewegen kann (Gefahrenquellen sichern!).

Kennenlernen braucht Ruhe

Schaffen Sie sich Zeitfenster, in denen Sie Ihr Baby (oder Kind) einfach in seinem Tun beobachten. Halten Sie dafür ein wenig Abstand (das schafft den nötigen Raum) und kommentieren Sie das Spiel des Kindes nicht. Seien Sie aber präsent und für das Kind ansprechbar. Werden Sie in ein Spiel eingebunden, dann nehmen Sie diese Einladung an, jedoch ohne das Spiel in eine Richtung zu lenken. Lassen Sie sich vom Kind führen – beachten Sie dabei aber Ihre persönlichen Grenzen und kommunizieren Sie diese im Fall einer Überschreitung. Wollen Sie z.B. nicht, dass das Kind Ihre Halskette ins Spiel einbezieht oder mit Ihrer Brille spielt, dann sagen Sie das klar. Ihr Kind möchte Sie nämlich auch kennen lernen.

Beobachten ohne werten

Versuchen Sie während einer Beobachtung keine Wertung vorzunehmen - also Kategorien zu verwenden, ob etwas gut oder schlecht, richtig oder falsch, schnell oder langsam, usw. ist. Am besten gelingt dies, wenn man in einem beschreibenden Modus verbleibt, wie ich es im folgenden Beispiel zeigen werde. Ich schreibe dann z.B. nicht "Er lächelt und seine Augen strahlen", sondern verbleibe bei dem, was tatsächlich zu sehen ist "seine Lippen formen ein Lächeln und seine Augen weiten sich". Auf den ersten Blick wirkt das sehr abstrakt und es bedarf ein wenig Übung, um nicht eine Wertung in die Beobachtung zu stecken. Nicht immer wird es gelingen. Gelingt es jedoch, so eröffnet es einen freien Blick und es schafft die Möglichkeit neue Facetten zu entdecken, bzw. sich auf kleine Aspekte zu konzentrieren (z.B. die Haltung einer Hand, die Bewegung der Lippen, usw.).

Eine Babybeobachtung

Ich hatte in der Küche zu tun und etwa 3 Meter entfernt hat mein Sohn (7 Monate alt) auf einem Teppich gespielt. Er hatte unterschiedliche Spielmaterialien in Greifweite. Er lässt seinen Blick schweifen. Nun fängt er an nach vorne zu robben. Der Blick schweift immer noch durch den Raum. Nun fixiert er einen Punkt, seine Lippen formen ein Lächeln, seine Augen weiten sich, er streckt seinen linken Arm aus, die Hand öffnet sich und schließt sich wieder. Ich suche nun ebenfalls den näheren Raum ab und entdecke sofort das Objekt, das er fixiert – ein Haarband seiner Schwester, das unter den Basteltisch gefallen war. Da ich diesen Gegenstand als unbedenklich einstufe, lasse ich ihn darauf zurobben. Als er den Gegenstand erreicht hat, hat er ihn direkt mit Händen und Mund untersucht.

Eine kurze Interpretation

Sehr interessant fand ich in dieser Beobachtung den Moment, als ich in seinem Gesicht sehen konnte, dass er bei all den möglichen Materialien, die er um sich hatte, etwas entdeckt hat, das seine Neugierde geweckt hat. Diese Neugierde lässt ihn den abgegrenzten Bereich des Teppichs verlassen, er möchte Neues kennen lernen – ein Beispiel eines gelungenen Lernmoments.

Für mich war es auch interessant seine Mimik zu beobachten und zu erfahren, wie er zum Ausdruck bringt, dass ihn etwas interessiert – und zwar so sehr, dass er eine Aktion setzen wird. Momentan robbt er erst, aber wenn er dann ins Krabbel- und Laufalter kommt, er also rascher größere Distanzen zurücklegen kann, wird mir die Beobachtung des Blicks vielleicht helfen abschätzen zu können, wann er sich auf den Weg macht und ich werde nochmals rasch den Raum absuchen können, ob ich auch keine Gefahrenquelle übersehen habe (oder Geschwister Spielsachen, die für ihn gefährlich werden könnten, in seiner Reichweite liegen haben).

 

Foto: Maresa Gallauner